Kinos protzen oft mit großen Sälen, riesigen Leinwänden und einem wuchtigen, raumfüllenden Sound. Im Heimkino muss das Erlebnis auf brauchbare Größen zurecht gestutzt werden. Doch was wenn in kleinen Wohnungen beim besten Willen kein Platz für ein adäquates Heimkino zu finden ist? Der gerade Fahrt aufnehmende Trend zur Virtual Reality, VR, bringt einiges an Potential für den Heimkinofan mit sich. Das virtuelle Kino einfach auf den Kopf setzen, das funktioniert auch in kleinen Studentenwohnungen. Doch die Möglichkeiten der neuen Technologie gehen deutlich weiter.
VR, was ist das eigentlich?
Virtual Reality ist kein neues Thema, der letzte (erfolglose) Versuch VR bei Privatanwendern zu etablieren fand in der Mitte der 1990er-Jahre statt. So ambitioniert VR-Helme wie Fortes VFX-1 auch waren, so erfolglos war VR seinerzeit. Schuld war die Technik selbst: Computer waren nicht schnell genug für ansprechende 3D-Welten mit hoher Framerate wie sie für VR benötigt werden und von den Displays der damaligen Zeit schweigen wir lieber ganz.
Um VR zu erleben wird eine VR-Brille benötigt. Diese enthält neben einem möglichst hochauflösenden Display und zwei Linsen auch einiges an Sensoren um die Bewegungen des Kopfes zu erfassen. Nach dem Aufsetzen der Brille und dem Start einer VR-Anwendung ist die virtuelle Realität nicht nur Bildschirm- sondern Bewusstseinsfüllend vorhanden. Es ist möglich sich im Bild umzuschauen wie in der “echten” Realität, auch Kopfbewegungen werden exakt nachvollzogen. Das Gehirn ist so anpassungsfähig, dass es selbst aus Comicgrafik in der VR eine überzeugende Realität bastelt. Ein Abgrund in der VR erzeugt Höhenangst. Nur wenige Nutzer trauen sich, über eine virtuelle Klippe zu treten, auch wenn sie ganz genau wissen: da ist nur ein Teppichboden vor mir.
VR im Heimkino
Die zahlreichen Anwendungen der VR sind zwar spannend, wir konzentrieren uns aber auf die Möglichkeiten im Heimkino. Da VR eine komplett andere Realität vorspielen kann, ist es relativ einfach möglich, einfach ein virtuelles Kino zu erstellen. Für so gut wie alle aktuellen VR-Plattformen (Oculus Rift, HTC Vive und Samsung Gear VR) existieren solche VR-Kinoanwendungen. Mit der VR-Brille auf dem Kopf sitzt man in einem simulierten Kino und sieht auf der Leinwand den gewünschten Film. Da die VR-Umgebung lebensgroß wirkt, ist auch die Leinwandgröße mit der eines echten Kinos vergleichbar. Zudem lässt es sich in der VR-Umgebung ganz natürlich umschauen. Und hier kommt noch eine soziale Komponente hinzu: Es wird in der Zukunft auch möglich sein, andere VR-Nutzer in dieses Kino einzuladen. Selbst wenn der Freundeskreis über den ganzen Globus verstreut wohnt lässt sich so ein geselliger Kinoabend veranstalten. Auf den freien Kinoplätzen sitzen dann die VR-Avatare der Freunde. Demoanwendungen erlauben bereits jetzt das Werfen von Popkorn..
Netflix VR
Als erster großer Streaminganbieter hat Netflix den Schritt in die VR gewagt. Für Oculus Rift und Samsung Gear VR gibt es eine Netflix-Anwendung, die den Nutzer in ein luxuriöses virtuelles Wohnzimmer setzt. Auf einem großen Fernseher lässt sich das Netflix-Programm (Account vorausgesetzt) anschauen – oder alternativ mit einem Blick zur Seite das Bergpanorama bewundern. Zusatzkosten verursacht die VR-Option bei Netflix nicht, so dass es, notfalls in Verbindung mit einem Probemonat, ein sehr toller VR-Test für Interessierte ist.
Probleme aktueller VR-Produkte
Einen Nachteil hat VR-Heimkino aktuell noch: Die sich auf dem Markt befindlichen VR-Brillen bieten eine zu geringe Auflösung. Bei VR ist das Auge auch durch die verbauten Linsen viel näher am Bildschirm, einzelne Bildpunkte werden viel deutlicher wahrgenommen als am Monitor. Gegen das lange Zeit vorherrschende Problem des Fliegengittereffektes (die Kanten zwischen den Bildpunkten sind als feines Gitterraster zu sehen) gibt es Lösungen wie Sony mit Playstation VR im Oktober beweisen wird. Da aber der Film in einem VR-Heimkino nur in einem simulierten Fernseher und damit in geringerer Größe läuft fällt bei aktuellen VR-Lösungen die geringe Auflösung negativ auf. Nicht nur 4K-Verwöhnte sehen den Unterschied selbst zur DVD. Kommende Generationen von VR-Brillen werden aber höher auflösende Displays nutzen.
Wer nun an VR interessiert ist, sollte es vielleicht vor dem Kauf einmal ausprobieren. Dafür bietet sich das günstige Cardboard VR von Google an: Ein einfacher Pappschuber mit Linsen, in den das Smartphone gesteckt wird. Das Ergebnis ist aber natürlich nicht mit den teureren PC-Lösungen vergleichbar. Etwas besser ist, zumindest für Besitzer eines aktuellen Samsung-Smartphones wie dem S6 oder S7, Samsungs Gear VR, für das es auch die Netflix-App und virtuelle Kinos gibt. Teuer aber technisch beeindruckend (vor allem auch für Gamer) sind die PC-Lösungen Oculus Rift und HTC Vive. Letztere erlaubt zusätzlich auch eine freie Bewegung in der VR durch Bewegungssensoren. Im Herbst kommt mit Playstation VR noch eine günstige Konsolenlösung hinzu, bei der es zwar kaum Fliegengitter aber leider auch recht wenige Pixel zu sehen gibt: Für Heimkino dürfte sich PSVR unter Umständen nur wenig eignen. Preislich fängt es bei 15 Euro für die Google-Lösung an, geht über 99 Euro für Gear VR (ohne das dazugehörige Smartphone allerdings), 399 Euro für PSVR (ohne Konsole) und 599 Euro für Oculus Rift bis hin zu 799 Euro für die HTC Vive. Kein günstiger Spaß, dafür fühlt sich die Nutzung der Vive bereits jetzt an wie ein Vorläufer des berühmten Holodecks. Faszinierend!